Samstag, 5. April 2014

Zu nett: "Ophelia" in den Kammerspielen

Marie Jung. Foto: Julian Baumann
Im Werkraum sind, ansteigend, einige Sitzbänke aufgebaut, dem Zuschauer gegenüber keine “wirkliche” Bühne, sondern ein Raum mit unverputzen Ziegelsteinen, einem Badezimmer auf einer Holzpalette und schweren, schwarzen Samtvorhängen, eine Hommage an den durch Shakespeare stets in ein tintenschwarzes Samtwams gekleideten Hamlet.

Das Premierenpublikum scheint nur aus Hustern und Raschlern und Schnäuzern zu bestehen. Marie Jung widmet sich jedem Einzelnen von ihnen, lächelt sie freundlich an und richtet ihre wenigen Worte direkt an sie. Sie ist Hamlets wenig beachtete Freundin, ein stilles, nachdenkliches Wesen, das meist beobachtet und nicht agiert. Jetzt aber berichtet sie.

Das Interessante dieser Inszenierung ist sicherlich das Unbehagen des Publikums, mit dem gespielt wird. Die ersten dreißig Minuten kann man sich nicht in die sonst übliche Jemand spielt – Ich sehe zu-Konstellation bequemen, das Licht ist sowohl auf die Darstellerin, als auch auf die Zuschauer gerichtet. Außerdem sind zwischen den gesprochenen Worten so viele Pausen, dass jedes Knarzen, jedes Hüsteln und jeder Atemzug unglaublich laut klingt, der Verursacher eines Geräuschs wird sich sofort selbst als Störenfried betrachten.
Nach einer halben Stunde: ein fingierter Stromausfall. Endlich ist es dunkel, man spürt förmlich, wie sich alle aus ihrer Starre erwachen und endlich alles erledigen können, was sie zurückgehalten haben, sei es ein Bonbon aus der Packung zu pfrimeln, der Raucherlunge ihren verdienten Hustenanfall zu können oder sich mit dem Nachbarn auszutauschen. Endlich wieder Zuschauer sein. Ophelia erzählt mit ihrer freundlichen, aber bestimmten Tonlage weiter über die Tragödie Hamlets und streut brav die bekannten Zitate wie “Es ist was faul im Staate Dänemark” und “Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage” ein. Dennoch kommt nie so richtig Spannung auf, vermutlich, weil Ophelia nie andere Emotionen als ihre hintergründige Freundlichkeit zeigt. Man wünscht sich fast, sie würde sich mal so richtig aufregen. Aber sie lächelt nur.

Marie Jung ist zweifelsohne ein zauberhaftes Persönchen, das trotz ihres jungen Alters eine Präsenz zeigen kann, von der manch anderer Schauspieler nur träumen mag. Dennoch reicht dies nicht aus, um Raum und Text auszufüllen. Die Idee ist gut, die Umsetzung ist es nicht. “Mehr Inhalt, weniger Kunst!”, wie es schon in Hamlet heißt.

Premiere am 03.04.2014
Regie: Kristof van Boven
Dramaturgie: Matthias Günter
Bühne und Kostüme: Sina Barbra Gentsch

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