So fängt der Theaterabend doch gut an. Frau Hobmeier läuft herum und verteilt Leberkas (oder “Leberkäääseee”, wie sie spöttisch wiederholt) an die hungrigen Zuschauer während Edmund Telgenkämper in Ruhe sein Bier trinkt. Die Stärkung wird nötig sein, wie man im Laufe des Abends bemerkt. Denn das, was uns die rothaarige Schauspielerin und ihr Sidekick in diesen eineinhalb Stunden präsentieren, ist alles andere als leichte Kost.
Das Leben von Susanne, oder Susn, wie sie alle nennen, ist zornerfüllt, radikal und einsam. “Ich wollte nicht länger in der Gemeinschaft derer bleiben, von denen ich weiß, dass ihr Glaube nur eine Kopfhaltung ist”, beichtet sie mit 17 dem Pfarrer und erklärt ihm ihren Wunsch, aus der Kirche auszutreten. Zunächst hadert sie mit der Religion, dann, zehn Jahre später, mit ihrem Leben als Studentin und ihrer Umwelt. Während eines Gewitters brüllt sie ihren Schmerz in den Donner.
Brigitte Hobmeier. Foto: Arno Declair |
Weitere zehn Jahre später. Susn ist mittlerweile mit einem Schriftsteller verheiratet, der sie mit seiner Nichtbeachtung und seinem Desinteresse an die Grenzen der psychischen Belastbarkeit treibt. “Du bist nur Eis”, schreit sie ihn an, während er regungslos vor seiner Schreibmaschine sitzt und das Leben seiner Ehefrau zu Stoff für seine Bücher verwertet. Sie hübscht sich auf, sie beschimpft ihn, sie berichtet von einer Affaire mit dem Gastarbeiter, doch er steckt sich nur eine Zigarette an. Das Klappern der Tasten dröhnt in die Stille hinein.
Nochmals zehn Jahre später. Susn ist gebrochen, schnapsbewaffnet sitzt sie in der Kirche und spricht zu Gott. Die Veränderung ist grotesk. Die bildhübsche Brigitte Hobmeier hat sich in wenigen Minuten zur gescheiterten, siebzigjährigen Susn verwandelt, die mit Strickjacke und Plastikregenschutzhut das Resümee ihres Lebens zieht. Es ist Schauspielkunst par excellence, die man im Werkraum bewundern darf. Und der Zyklus des Scheiterns geht unter die Haut. Mit wenigen Mitteln und einer atemberaubenden Schauspielerin hat Regisseur Thomas Ostermeir das Bild einer Frau gezeichnet, die mit den Regeln der Gesellschaft nicht zurechtkommt und trotz allen Widrigkeiten ihren Weg verfolgt. Weil am Ende nur noch Gott selbst da ist, vor dem sie sich rechtfertigen muss.
Regie: Thomas Ostermeier
Bühne und Kostüme: Nina Wetzel
Musik: Nils Ostendorf
Video: Sebastian Dupouey
Dramaturgie: Julia Lochte
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