Performance hoch drei
Wie jedes Jahr öffnet das Volkstheater seine Pforten und ermöglicht eine Woche lang aufstrebenden Regisseuren, ihre Inszenierungen zu präsentieren.
Heute: This Is The Land, ein Projekt von Eyal Weiser.
Gleich vorweg: Dies ist keinesfalls ein klassisches Bühnenstück, vielmehr eine Performance von drei - Achtung, special - fiktiven Künstlern. Im Mittelpunkt steht Israel, der Zionismus, und die nationalen und internationalen Probleme, mit denen das Heilige Land zu kämpfen hat. Die Darsteller simulieren ein fiktives Regiefestival; eine Reaktion auf den Zionist Creation Award. Dieser vom israelischen Ministerium ausgesetzte Preis forderte israelische Künstler dazu auf, ihre Ansichten der zionistischen Werte darzustellen und wurde von Anfang an heftig kritisiert. Zionismus, so die Gegner, sollte nicht als künstlerisches Kriterium gelten dürfen. Aus diesem Grund wurde This Is The Land - The Zionist Creation Rejects' Salon geschaffen - um uneingeschränkte künstlerische Freiheit garantieren zu können und "um das Konzept des Zionismus neu zu überdenken".
Die Bandbreite der Performances ist groß. Da ist Efrat Arnon, die Fakten über Israel und Tel Aviv und die Beziehung zu angrenzenden Ländern in den Raum wirft, während im Hintergrund sepiafarbene Ausschnitte aus "The Tourist", "The Hunger Games" und "Kung Fu Panda" laufen. Das ist die wohl am schwersten zu deutende Darbietung des heutigen Abends - wenn die Identität der Akteurin fingiert ist, stimmen dann auch die Aussagen nicht?
Sie erzählt von combat dolphins, die vom israelischen Militär trainiert werden, um Minen auf dem Meeresgrund zu finden, und einer koscheren Version von Schinken, die amerikanische Forscher den Bewohnern Tel Avivs verkaufen wollen. Viel dreht sich um das Wort fake. Fake Schinken, Fake Soldaten, Fake Zionismus. Als sie die Bühne verlässt, steht ein spürbares Fragezeichen im Raum.
Danach erzählt Ayala Opfer, ihr richtiger Name ist Natalie Fainstein, ihre Geschichte über die Nachbarin Esther. Esther ist ungefähr 80 und hat Schizophrenie. Ayala beobachtet sie monatelang, versucht, dem Grund der Erkrankung auf die Spur zu kommen. Immer mehr verstrickt sie sich in Vorstellungen über das vorherige Leben von Esther, simuliert ein Tagebuch, vermutet ein Holocaustdrama. Tiefer und tiefer verwickeln sich Ayalas Ideen eines kindlichen Traumas, ausgelöst durch die Nazis, bis sie am Ende erfährt, dass Esther nie vom Holocaust betroffen war. Sie versuchte schlichtweg, den Wahnsinn ihrer Nachbarin zu rechtfertigen, indem sie ihr eine, für Juden denkbare, Biographie aufzwang. "We feel the need to create fictional biographies to protect ourselves", sagt sie am Ende. Diese Aussage wirkt. Jeder scheint sich an eine Person zu erinnern, der man selbst ein Vorleben zuschrieb, was höchstwahrscheinlich so nie stattgefunden hat. Sei es der arbeitslose Alkoholiker an der Ecke oder das vermeintliche Flittchen mit dem Vaterkomplex.
Am Ende steht Netar Weiner, der nach einer eher unspektakulären Darbietung so poetische Zeilen raushaut, dass einem die Spucke wegbleibt, einen internen Poetry Slam hatte man tatsächlich nicht erwartet. Aber er trifft einen Nerv; seine Rhymes über die Möglichkeit, gemeinsam etwas anzupacken und die alte Feindschaft zu überwinden, enden in tosendem Applaus.
Regie: Eyal Weiser
Kostüme und Requisite: Tamar Levit
Bühnenbild: Yinon Peres
Musik und Lyrik: Netar Weiner
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