Die (angebliche) Generation Y, verpackt in einer Inszenierung: Sibylle Bergs Stück mit dem umständlichen Titel
Und jetzt: Die Welt! – Es sagt mir nichts, das so genannte Draußen feierte am Dienstag im
Münchner Volkstheater Premiere. Eine Wutkritik.
Das bin also ich. Das also bist du. Das ist also diese viel
beschriebene, oft belächelte, selten bemitleidete Generation Y. Die
Generation Warum-Mach-Ich-Das-Doch-Gleich? Die Generation, über die
Menschen Bücher mit Titeln wie
Hört auf zu heulen schreiben.
Ständig vor dem Smartphone, soziophob, optimierungwütig. Danke Frau
Berg, danke für diese vollkommen wahnwitzige und undifferenzierte
Stigmatisierung.
|
(c) Gabriela Neeb |
Sybille Berg, die Frau von Welt(schmerz). Selbst ernannte
Gallionsfigur des neuen deutschen Feminismus, mit über 50 jetzt auch
noch Generationenexpertin. Ist übrigens auch mein Ziel. Also, auf
SPIEGEL ONLINE meine kruden Gedanken in Form von
Kolumnen
veröffentlichen zu dürfen, in denen ich dann Bashing der Extraklasse
betreibe. Wenn ich mal so weit bin, dann werde auch ich Frauen sagen,
wie sie nicht sein sollten. Frau Berg kommt damit ja auch durch. Sie
darf dieses Gewäsch sogar auf Programmhefte drucken. Ein Auszug:
“Liebe Mädchen (…), ich möchte euch sehr ersuchen, alles zu werden,
was ihr wollt (solange es nicht das Tanzen an einer Stange beinhaltet).
Also alles könnt ihr werden, nur nicht süß. (…) Macht alles, aber werdet
nicht süß, denn dann könnt ihr auch auf eure Stirn tätowieren: Nehmt
mich bloß nicht ernst. Dann könnt ihr auch gleich
Schmuck-/Accessoire-Designerin oder Model/Moderatorin werden oder einen
tollen Mann finden. (…) Aber verdammte Hacke, macht euch unabhängig. Von
einem Ernährer, von dem Verfall, von all dem Stuss, den Zeitungen und
Photoshop euch erzählen.”
SPIEGEL ONLINE, 11.10.2014
Zusammenfassend: Liebe Mädchen, ihr könnt alles werden, was ihr
wollt. Vorausgesetzt, es harmoniert mit Frau Bergs Vorstellungen einer
Feministin. Zu sagen, frau müsse sich unabhängig machen, dann aber
Designerinnen/Moderatorinnen (= dümmlich konnotierte, wenn auch meist
unabhängige Berufe) unterm Strich zu verdammen, zeugt von einem
mikroskopischen Tellerrand. Das ist ungefähr so sinnvoll wie die
Aussage, eine Frau dürfe sich im Schlafzimmer niemals devot verhalten,
weil das nicht im Sinne des Feminismus sei.
Was reg’ ich mich auf. Angesichts von Bergs persönlicher Vorgeschichte
sei ihr das ein oder andere dem “Papierkorb”-Ordner entwischte Essay
verziehen. Ihr Stück
Und Jetzt: Die Welt! stellt im Berg’schen
Universum auch noch das kleinere aller Übel dar. Beschrieben wird
fragmentarisch die Sinnsuche des durchschnittlichen
Twentysomething-Mädchens. Weil das aber mit Skype, unglücklich verliebt
sein und Viagra kochen komplett ausgelastet ist, verteilt “Frau Sibylle”
ihren Sud aus Selbstmitleid und Welthass auf drei junge
Darstellerinnen. Zwei von ihnen sind Gastschauspieler, eine noch an der
Falckenberg, die andere schon durch Rosenmüllers gutdeutsche Kinofilme
bekannt. Die dritte im Bunde ist die großartige
Lenja Schultze, die seit 2013 fest im Ensemble spielt.
Regisseurin Jessica Glause komplettiert die Frauenrunde und siedelt
die Inszenierung irgendwo neben Pathologiestation und Chemielabor an;
abwischbar, ersetzbar, seelenlos wie das Leben der namenlosen
Erzählerin, so die Semiotik. Plastikvorhänge umrahmen die Kleine Bühne,
die Mädchen stecken in diffusen Kostümen, die sich zwischen
Skiunterwäsche und OTTO-Katalog-Sortiment bewegen. Diese drei
Mittzwanziger, natürlich wunderschön und mit perfekten Körpern,
philosphieren nun über das Leben. Oder über das, was sie Leben nennen,
denn zwischen hundert Chatnachrichten und einem Anruf der Mutter
passiert eigentlich nicht viel. Verliebt in die beste Freundin sind sie,
zu dick für Größe 36, wütend und verzweifelt. Opfer ihres
Selbstmitleids, so würde ich es formulieren. Denn mir sagt es nichts,
dieses “wir” von dem sie sprechen und damit ihre Altersgenossen meinen,
zu denen ich faktisch zähle.
Die Momente des Wiedererkennens sind vorhanden, natürlich. Etwa bei
dem Satz “Liebeskummer gibt mir das Gefühl, eine außerordentlich
emotionale Person zu sein.”. Grandios! Genau wie die karikatureske
Zumbastunde der Freundin, die man miterleben muss. Oder die Kritik an
unserer hollywoodgeschwängerten und realitätsfernen Auffassung von
Partnerschaft. Sie sind da, dieses Augenblicke, in denen man ekstatisch
mit dem Kopf nicken und Sibylle Berg die Hand schütteln möchte.
Nichtsdestotrotz kann man der Autorin nicht die Fähigkeit zusprechen,
die Probleme dieser, unserer, meiner Generation darzustellen. Denn sie
ist nicht Teil dieser Generation. Sie ist lediglich eine Frau, die, so
scheint es, aufgegeben hat. Die nicht mehr willens ist, die Widrigkeiten
des Lebens als das anzuerkennen, was sie sind, nämlich Widrigkeiten. Um
Gottes Willen, ich bezweifle nicht, dass sie mehr erleiden musste, als
ein Mensch ertragen kann. Trotzdem: ihr Bild des klassischen
Generation-Y-Mädchens entspricht nicht der Wirklichkeit. Wir sind
vielleicht Heulsusen, Handysuchtis, beziehungsgestört und haben
Zukunftsängste. Aber ziellos, das sind wir nicht.
Informationen und Spielplan unter www.muenchner-volkstheater.de