Wo Castorf drauf steht, ist sicher nicht Stückl drin. Frank Castorf ist kein Mann für Warmherziges. Es scheint fast so, als habe der alte Herr Spaß daran, jede seiner Inszenierungen noch ein wenig durchgeknallter, noch ein wenig orgiastischer, noch ein wenig grausamer zu gestalten. “Man weiß doch, was man bei mir bekommt” – so ist es. Vergesst niedliches Volkstheater, hier kommt Baal. Brechts juveniler Erguss hat seinen Verfasser nie zufrieden gestellt, ständig hat der gute Bertolt an seinem Entwurf herumgeschraubt, nie war er wirklich glücklich damit. Castorf war es auch nicht, und so hat er den Originaltext mit Rimbaud und Sartre versetzt und das Szenario nach Indochina verlegt. Die viereinhalb Stunden beginnen und schließen mit einem stakkatoartigen Sprechfeuer der Darsteller, die schließlich am Ende ihrer Kräfte kapitulieren. Vor Brecht, vor Castorf, vor dem Publikum. Bibiana Beglau ringt nach Luft, Andrea Wenzl knicken fast die Beine weg, Franz Pätzold bricht die Stimme ab.
(c) Thomas Aurin |
Nach den ersten drei Stunden stellt sich fast so etwas wie eine apathische Katharsis beim Zuschauer ein. Immerhin sitzt man jetzt schon lange drin, da kann man sich auch noch den Rest geben. Langweilig wird es nicht. Dennoch strapaziert das Stück die Nerven, man möchte sich den Darstellern anschließen und rauchen und trinken dürfen, um bei der Sache zu bleiben. Der gelebte Exzess verführt.
Am Ende bleibt ein bodenloser Respekt vor den Schauspielern, die sichtbar ihre Grenze überschritten und ihr Bestes – und Schlechtestes – aus sich heraus geholt haben. Castorfs Baal ist das greifbare Böse, die überschrittene Ekstase ohne Ende und die leidenschaftlichste Inszenierung seit Langem.
Weitere Vorstellungen am 07., 13. und 28. Februar, Karten ab 8 Euro
Informationen und Spielplan www.residenztheater.de
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