Freitag, 5. Dezember 2014

Don't stop the party

Zwei Monate nach dem letzten Oktoberfest inszeniert Regisseur Hakan Savaş Mican ein neues Gelage: Kasimir und Karoline feierte vergangene Woche im Münchner Volkstheater Premiere.

Ödön von Horváths gesellschaftskritisches Gesamt(kunst)werk befasst sich vor allem mit der Aufarbeitung sozialpolitischer Stoffe; bereits mit Geschichten aus dem Wiener Wald zeigte Volkstheater-Intendant Christian Stückl eindrucksvoll, wie aktuell Hováths Themen auch knapp 80 Jahre nach dem Tod des Autors sind. Beißende Kritik, verkörpert von perspektivlosen Kleinbürgern, das kommt auch 2014 noch gut. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, wenn man sich auch heute, immer noch im Schatten der Weltwirtschaftskrise, gut in die gleichnamigen Protagonisten von Kasimir und Karoline hineinversetzen kann.
 © Arno Declair
Jean-Luc Bubert und Xenia Tilling mimen das frisch verlobte Paar, das einen Ausflug auf das Oktoberfest macht. Stilecht in der Lederhosn kommt außer dem obligatorischen Preissn Speer (Michael Tregor) allerdings niemand. Die Gesellschaft trägt bunte Röcke und Schirmmützen und versucht den Alltag zu vergessen. Kasimir gelingt das nicht so richtig. Noch am Tag zuvor wurde ihm sein Job als Lastwagenfahrer gekündigt, nun hat er kaum mehr als ein paar Mark in der Tasche. Karoline ist hingegen eine selbstständige Frau, arbeitet in einem Büro und möchte sich amüsieren, Kasimirs Trübsal versteht sie nicht. “Vielleicht sind wir zu schwer füreinander”, sagt sie ihm und macht sich allein auf, die Wiesn zu erkunden. Schon bald zieht sie eine Schar von Verehrern hinter sich her, allen voran der Zuschneider Eugen Schürzinger (Oliver Möller). Er beschenkt sie mit Luftballons, Achterbahnfahrten und Aufmerksamkeit, wirkliches Interesse will bei Karoline aber nicht aufkommen. Erst als Schürzingers Vorgesetzter, der Kommerzienrat Rauch (Robert Joseph Bartl), ebenfalls auftaucht, glimmt in ihr das Flirtverhalten auf. Ihre Absichten sind klar: eine Gesellschaftsstufe höher möchte sie, und sei es nur für einen Abend auf dem Oktoberfest.

© Arno Declair

Währenddessen trifft der angetrunkene und schlecht gelaunte Kasimir seinen alten Freund, den Merkel Franz (Pascal Riedel) und dessen Frau Erna (Mara Widmann). Der verdient seine Brötchen mit Autodiebstählen und überredet Kasimir, bei seinem nächsten Coup mitzumachen. Für einen von ihnen wird die Sache nicht gut ausgehen. Hakan Savaş Micans Erstlingswerk besticht durch fetzige Kostüme, einfühlsame Momente und durchaus lustige Situationen, dennoch kann keine Wiesnstimmung aufkommen. Zu zäh fließen die Dialoge, zu langsam entwickelt sich die Geschichte. Die abgrundtief traurige Story einer gescheiterten Beziehung bleibt auf der Strecke, eine wilde Party bekommt man aber auch nicht zu sehen. Es ist ein bisschen wie das letzte Noagerl in der Maß: trinken kann man’s schon, schmecken tut’s aber nicht unbedingt. Die Überraschung des Abends ist hier aber eindeutig Pascal Riedel, ganz ungewohnt als Bad Boy. Sonst immer als Sensibelchen besetzt, glänzt er in dieser Inszenierung durch konsequente Badass-Manier, abgerundet durch das Zuhälteroutfit mit Pelzmantel. Ein schöner Kontrast zu seinen bisherigen Rollen, etwa in Supergute Tage. Mehr davon, bitte. Fazit: Lieber Christian Stückl die Volksstücke überlassen. Der lebt sein Faible für die alten Klassiker nämlich kontinuierlich aus, das nächste Mal im Januar mit Nathan der Weise. Vielleicht ist die Stimmung da dann besser.

Weitere Vorstellungen am 05., 06. und 18. Dezember
Karten ab 8 Euro

Informationen und Spielplan www.muenchner-volkstheater.de

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