Moosach macht Oper - sogar die bekannteste Oper der Welt. Die Zauberflöte steht auf den Programm. Zauberhafte Stimmen, aber der Sinn der Inszenierung geht im wahrsten Sinne des Wortes flöten.
Das Grüppchen Solisten, das sich da in Moosach versammelt, ist mehr
als famos. Eine blutjunge, dennoch stimmgewaltige Königin der Nacht (Astrid Mathyshek), drei bezaubernde Damen (Susanna Proskura, Florence Losseau, Anna Gassler) und ein herzallerliebstes Paminchen (Simone Yael). Und dann eben noch Papageno (Benedikt Eder),
als wuschelköpfiges Studentenbürschlein mit Fahrrad und Lederrucksack
in Szene gesetzt, der alles und jeden mit seinem Bariton an die Wand
singt. Was für eine Stimme! Der kann niemals älter als dreiundzwanzig
sein und singt schon jetzt besser als alle Münchner Gesangsstudenten
zusammen. Da sehen viele andere eher blass aus, sogar Jason Papowitz,
seines Zeichens Urviech der Oper und schon überall mal gewesen. Einen
wirklich hübschen Tenor hat er, aber für den “stattlichen Jüngling”
Tamino ist er ein bisschen zu alt. Und zu amerikanisch. Und Flöte
spielen kann er auch nicht. Aber naja, der Gesang stimmt.
Bleibt die Frage: Warum nur geben sich all diese weltbühnenerprobten,
hochbegabten, zu Höherem berufenen Menschen mit einer dermaßen
mittelmäßigen Inszenierung zufrieden? Hat denn da niemand mal auf den
Tisch gehauen und gesagt: “Werte Frau Regisseurin, ich habe bereits im
[hier Opernhaus einsetzen] gespielt, studiere seit Jahrzehnten Gesang
und hab sowieso relativ viel Ahnung von dem was ich mache, warum
fabrizieren Sie hier so einen sinnlosen [hier skatologischen Ausdruck
einsetzen]?”
Ist die Lage auf dem Markt so schlecht, dass sich der Jungsänger mit so etwas zufrieden geben muss?
Man hätte, theoretisch, eine qualitativ hochwertige Bühnenshow
abliefern können. Die finanziellen Mittel waren ganz offensichtlich da,
Hilfe vom Profi gabs auch – Monika Staykova vom Bayerischen
Staatsschauspiel war für die Kostüme zuständig -, und die Musiker
brillierten ebenfalls. Dennoch schafft es die Regisseurin Kristina Wuss,
diese potentiell fantastische Aufführung zu wenig mehr als Laientheater
zu degradieren.
Zwischen gefühlt allen in Moosach wohnenden Mittvierzigern, die schon
immer einmal auf der Bühne stehen wollten und nun als Statisten die
Gelegenheit dazu bekommen, bewegen sich nun Sarastro (Frits Kamp),
seine Schergen und ein paar Kinderlein auf dieser kleinen Bühne,
umgeben von lächerlichen und verwirrenden Requisiten. Was soll zum
Beispiel dieser singende Plastikhummer, den man Papageno
zusammenhangslos überreicht? Oder dieser blöde Medizinball, der ständig
von irgendwem rumgeschleppt werden muss und auch keinen erkennbaren Sinn
hat? Fand hier so etwas wie eine Leitmotivdarstellung statt? Soll das
eine Art Running Gag sein? Und warum steht da immer dieser große Kerl
mit dem leuchtenden Ikealampenschirm? Wieso zieht sich Monostatos (Siddique Eggenberger)
den Reifrock der 1. Dame an? Und weshalb taucht auf einmal ein
überdimensionaler Rabe auf der Bühne auf? Die Liste der Warums ist
endlos. Antworten gibt es kaum. Selbst die Mitwirkenden scheinen nicht
so recht Ahnung zu haben, was sich ihre Regisseurin denn bei dem ganzen
Trara so dabei gedacht hat. Man bekommt allgemein das Gefühl, dass diese
Inszenierung ihre offensichtlichen Schwächen durch möglichst viele,
möglichst sinnfreie Requisiten übertünchen möchte. Es ist schon
bezeichnend, wenn zehn Theaterwissenschaftler im Publikum sitzen und
keiner den Sinn dieser alternativdramaturgischen Mittel erkennt. Nichts
passt zusammen, nirgendwo ist eine klare Linie zu erkennen.
Dem Publikum gefällt’s trotzdem. Die Kinder liegen zwar schon nach
der ersten halben Stunde müde auf Mamas Schoß, aber als Sarastros Löwe –
an dieser Stelle Chapeau, gutes Kostüm – auftaucht und zwinkernd durch
die ersten Reihen schlendert, werden die Kleinen ganz schnell wach. Mir
fällt’s wie Schuppen von den Augen: eine rein für Kinder
ausgelegte Zauberflöte wäre doch optimal gewesen! Denen wäre nämlich
jedes sinnlose Detail wurscht und Menschen in Tierkostümen kommen immer
gut an. Und die Eltern sind stolz, dass sie Schackeline und
Jeremy-Pascal ein Stück Kultur näherbringen können.
Für Opernliebhaber und Menschen, die auf Sinn Wert legen, ist die
Moosacher Fassung nicht geeignet. Zu sehr ist man gewöhnt an
barocke Staatsoperästhetik und den berühmten Roten Faden, der sich durch
jede gute Inszenierung zieht. Allen anderen ist die Zauberflöte in der Moosacher Fassung schlussendlich nur aufgrund dieser grandiosen Sänger zu empfehlen. Talent reißt’s halt doch raus.
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