Montag, 3. Februar 2014

"Die Räuber" im Volkstheater: Flips und Flapsiges

Thumbs up for Karl




    Man wird den Eindruck nicht los, dass Regisseur Sebastian Kreyer seine Schauspieler gerne in langen Unterhosen auf die Bühne stellt. Schon in "Gespenster" durfte sich Max Wagner darin austoben, auch heute beginnt der Abend damit, dass er und Oliver Möller als ungleiches Brüderpaar Karl und Franz von Moor darin herumalbern. Obenrum nackend, versteht sich, blanke Haut wird man noch oft sehen.


Paul Faßnacht, Oliver Möller, Max Wagner | © Arno Declair / Volkstheater München


Die Geschichte ist altbekannt: Franz buhlt um die Gunst seines Vaters (Paul Faßnacht) und spielt seinen älteren Bruder Karl mithilfe von gefälschten Briefen gegen ihn aus. Karl ist sauer und gründet in den Böhmischen Wäldern eine Räuberbande, während Franz daheim seinen Bruder für tot erklärt, den Vater wegsperrt und sich Amalia, der Geliebten Karls, annähern möchte. Irgendwann kommt dieser dann nichtsahnend nach Hause und findet ein totales Chaos vor. 

  Bombensicherer Stoff, möchte man meinen. Aber Kreyer dreht Schillers Meisterwerk durch den Mixer, bäckt es zu einer Mischung aus Homoerotik und Fäkalwitzen und garniert es mit einer großen Prise Kitsch und Trash. Einige der Gags sind gut, zweifellos. Zum Beispiel das Geflügel, das in regelmäßigen Abständen vom Schnürboden herabfällt, immer wenn jemand seine Pistole abfeuert. Ist schon irgendwie witzig. Auch das mit Kreide vollgekritzelte Holzgerüst im Hintergrund ist lustig. "FUCK YOUR FACE. THUMBS UP FOR KARL. RÄUBER 4EVER" steht da. Aber wenn der verkleidete Franz dem Vater die fingierte Nachricht von Karls Tod überbringt und im Anschluss fragt: "Wo sind denn hier die Klos, ich muss mal dringend kacken?", dann ist das mehr als nur unangebracht. Gelacht hat auch niemand. 
  
  Viel vom Originaltext ist ebenfalls nicht mehr übrig geblieben. Stattdessen gibt es Kreyer'sche Wortspiele mit dem Namen Moor ("not a Moor anymore") und statt einer Räuberbande einen einzigen Gefährten (Jakob Geßner), der nicht mal einen Namen hat.
Mit dem darf Hauptmann Karl aber ausgiebig diskutieren, raufen und knutschen. Kein morden, kein brandschatzen, dafür eine für Schiller etwas zu intime Bromance. 


Max Wagner, Jakob Geßner | © Arno Declair / Volkstheater München
  
Zu oft fragt man sich an diesem Abend: Warum das Ganze? Mara Widmann als Amalia tritt beispielsweise ständig in neuen, immer lächerlicheren Kostümen auf, als Punk mit rosa Perücke, als Diva im Glitzerkleid mit Federsaum, als Museumsführerin mit Wikingerhelm. Ihre Hauptaufgabe ist es, die offenbar für das jüngere Publikum eingestreuten Lieder zu singen, was sie wirklich gut meistert. Aber was Kate Bush und die Pet Shop Boys in den Böhmischen Wäldern zu suchen haben, weiß auch niemand. Kreyers Inszenierung soll wohl die amüsante Mischung aus Ernsthaftigkeit, Trash und Aktualität innehaben, die man so oft bei Solberg sieht, letztendlich wird aber ein gezwungener, lästiger, furchtbar alternativ sein wollender Brei daraus. Kurz vor der Pause, nachdem Amalia den Satz "Karl lebt!" spricht, entrollt sich ein riesiges Plakat im Hintergrund. Darauf zu sehen ist ein nackter, mit einem Falken posierender Max Wagner. Warum? Ein nackter Paul Faßnacht wäre sicherlich schlimmer gewesen, aber trotzdem, warum? 

  Dann ist da noch dieses Telefon, das ab und an klingelt und Nonsens brabbelt. Und der böse Franz, der nonstop Erdnussflips isst und das Publikum damit bewirft. Wo ist der Sinn hinter all diesen Dingen? Soll das lustig sein? Oder hat alles eine tiefere Bedeutung, die nur Sebastian Kreyer erfassen kann?
  
  Wirklich schade um die Schauspieler. Die blonden Jungs haben sich im Minutentakt aus- und umzuziehen, damit die gestählte Brust gezeigt werden kann, Oliver Möller muss sich eine Krone aus Erdnussflips aufsetzen und Paul Faßnacht sieht aus wie Big Lebowski und kalauert pseudoenglisch vor sich hin.
 Gab es niemanden, der dem Regisseur auf die Finger schaute und "Lass das mal lieber bleiben" sagen konnte? Man hätte diesen knappen drei Stunden durchaus mehr Tiefe verleihen können. Oder zumindest mehr Sinn.

Link zu Die Räuber im Volkstheater




Premiere am 19.01.2014
Regie: Sebastian Kreyer
Bühne: Matthias Nebel
Kostüme: Maria Roers






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