Eine nicht ganz objektive Review
Tom Hiddleston | © http://ntlive.nationaltheatre.org.uk/productions/ntlout5-coriolanus |
Also auf ins Cinema in der Nymphenburgerstraße, wo zusammen mit mir schon auffällig viele Frauen zwischen dreizehn und sechzig hinpilgern. Die Hiddleston-Fanbase offenbar.
Ich rede mir ein, dass ich das Stück hauptsächlich aufgrund seines intellektuellen Wertes anschaue und hole mir meine Karte ab.
Coriolanus ist eines der eher wenig bekannten Stücke von Shakespeare und gehört zu seinen späteren Werken (geschrieben wurde es um 1607), wobei es neben "Antonius und Cleopatra" und "Julius Caesar" in die Sparte der roman plays eingeordet wird.
Grob zusammengefasst handelt es von dem römischen Kriegshelden und Patrizier Coriolanus, der sich aus verschiedenen innerpolitischen und familiären Gründen gegen sein eigenes Volk wendet. Die wohl beste Besetzung für den als arrogant und stolz beschriebenen Coriolanus ist der aus Marvel's Avengers, War Horse und The Hollow Crown bekannte, bekennend shakespeareaffine Tom Hiddleston. Vor Beginn der Vorstellung wird noch ein kurzes Interview mit Josie Rourke, der Regisseurin, eingespielt. Es hat wohl auch die Interviewerin erwischt, kichernd fragt sie, was das Team dazu bewegt habe, den von MTV als "Sexiest Man In The World" betitelten Hiddleston zu casten. Rourke bleibt professionell und verweist auf seine brillianten schauspielerischen Fähigkeiten. Es geht ein hörbares Lachen durch den Saal, "Ja sicher, nur aufgrund seines Talents" spötteln manche.
Neben Hiddleston entdeckt man im Laufe des etwa drei Stunden andauernden Stücks noch einige bekannte Gesichter, Mark Gatiss zum Beispiel, der u.a. für die Idee und Produktion der BBC-Erfolgsserie Sherlock, in der er auch die Figur Mycroft Holmes spielt, verantwortlich ist, sowie Alfred Enoch (Dean Thomas aus der Harry Potter-Filmreihe, man ist der groß geworden!) und britische Theatergrößen wie Deborah Findlay und Peter De Jersey.
Birgitte Hjort Sørensen, Mark Gatiss, Tom Hiddleston | © telegraph.co.uk
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Wie alle Shakespearestücke ist auch in diesem das Englisch für Nichtmuttersprachler sehr schwer zu verstehen. Umso besser, dass sämtliche Schauspieler so unfassbar gut spielen, dass man im Zweifelsfall auch dadurch den Inhalt des Textes versteht. Tom Hiddleston als blutbesudelter, brüllender, verzweifelter und am Ende sogar reine, echte Tränen weinender Kriegsheld ist so berührend, bewundernswert und - daran führt kein Weg vorbei - erotisch, dass er für diese Rolle 2014 so ziemlich jeden Preis abräumen wird. Mit Sicherheit.
Mark Gatiss kann mit gewohnter Spitzzüngigkeit brillieren und ist verantwortlich für die meisten Lacher in dieser Tragödie. Seine Darstellung des Menenius Agrippa,einem Freund und Vertrauten des Kriegshelden, ist wunderbar. Und Birgitte Hjort Sørensen, die Virgilia, die Frau Coriolanus', spielt, hätte eigentlich mehr Text verdient, leider sieht Shakespeare sie meist nur als weinendes Frauenzimmer vor. Aber sie durfte Tom Hiddleston gleich mehrmals küssen, also kann sie sich nicht beschweren.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses Meisterwerk aus London entweder noch einige Male übertragen oder aber sogar auf DVD veröffentlicht wird. Die Performance ist herausragend, die Story auch nach 400 Jahren aktuell. Außerdem sind die Kampfszenen zwischen Coriolanus und Erzfeind Aufidius (Hadley Fraser) spannend und choreographisch hoch anspruchsvoll, da schlagen auch Männerherzen höher. Und die Frauenherzen, naja...die sind sowieso rundum versorgt.
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Just saying.
Eine derartig fantastische Inszenierung gab es schon lange nicht mehr. Shakespeare wäre stolz.
Link zum Interview mit der Cast
Link zur Website vom National Theatre
Premiere am 06.12.2013
Regie: Josie Rourke
Bühne und Kostüme: Lucy Osborne
Komponist: Michael Bruce
Fight Director: Richard Ryan
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