Donnerstag, 30. Januar 2014

Vorhersehbares Ende - "Dantons Tod" im Volkstheater

Keine Revolution ohne das Volk


Jean-Luc Bubert, Pascal Fligg | © Arno Declair / Volkstheater München

 Es ist eigentlich sehr traurig, dass die Schlichtheit, mit der Christian Stückl Büchners „Dantons Tod“ im Volkstheater inszeniert, so erfrischend wirkt. Kein Einsatz von Videomaterial, kein komplettes Umschreiben des Textes, sogar die Kostüme sind ganz im Stile der Französischen Revolution gehalten. Dazu die Bühne: Das Skelett eines Hauses, dessen durch die Scheinwerfer angestrahlten Querbalken die Atmosphäre eines in die Jahre gekommenen Gefängnisses verströmen. Einen Tisch gibt es, einen Stuhl, eine Karaffe mit Wein und dazu Gläser. Bühnen- und Kostümbildner Stefan Hageneier hat ganze Arbeit geleistet, die Kargheit ist so drückend, dass man Pascal Fligg zujubeln möchte, als er als Georg Danton auf die Bühne stürmt und das Ende der Tyrannei und Armut fordert. 

Sohel Altan G., Pascal Riedel, Pascal Fligg, Leon Pfannenmüller | © Arno Declair / Volkstheater München





 Überhaupt ist dieser Pascal Fligg ein wahres Schauspielwunder: während seine Komparsen ihr eher schnörkelloses Spiel fortsetzen, besticht er mit seiner grandiosen Mimik, sein Zorn ist so echt, dass man zurückzuckt, als er auf Robespierre losgeht. Den Genussmenschen Danton nimmt man ihm sofort ab, so wie er auf der Bühne steht, seinen Wein trinkt und die Moralvorstellungen von Gegenspieler Robespierre, gespielt von Jean-Luc Bubert, anzweifelt. Büchners Text fließt flüssig, auch wenn man doch manchmal das Gefühl hat, dass einige Kürzungen mehr in den Monologen von Vorteil gewesen wären. Die Eindampfung auf neun Rollen bietet zwar den Schauspielern die Möglichkeit, sich voll und ganz auf die Ausarbeitung ihrer Rolle zu fokussieren, dennoch fehlt das Volk – das im Originaltext neben Danton und Robespierre den dritten Hauptakteur darstellt –  und damit auch der Eindruck, dass ein Ende der Tyrannei wirklich dringend nötig ist. Letztendlich hört man über die Tragödien, die sich für die Unterschicht abspielen, nur Geschichten aus zweiter Hand.

 Das Ende des Stückes hat aber einen gewissen Gänsehautfaktor: wie Danton, Camille, Philippeau und Lacroix dastehen und einer nach dem anderen abgeht, um zur Guillotine geführt zu werden, das ist so bedrohlich und berührend, dass man schaudert. Und als Robespierre die ihn verspottende Lucile zu Boden drückt und „Es lebe die Republik!“ schreit, fällt der Vorhang, und zurück bleibt Begeisterung: So muss ein Ende aussehen und nicht anders! Man fragt sich nur: warum denn erst jetzt so energiegeladen? Denn bei aller Einfachheit fehlt auch irgendwie die Dynamik: Der etwas mehr als 180 Minuten andauernde Abend hat durchaus seine Längen, einige Monologe sind zu lang, die anderen zu monoton vorgetragen. Enttäuschend ist auch Sohel Altan G., der den Camille Desmoulins eher farblos verkörpert und sich nicht ganz der Komplexität seiner Figur bewusst ist. Leon Pfannenmüller als Philippeau dagegen spielt abwechslungsreich, humorvoll, er passt perfekt zu Pascal Fligg und seinem Danton. Erfreulich kraftvoll gibt sich auch Kristina Pauls als Dantons Gattin Julie, die Georges  amouröse Eskapaden wortlos hinnimmt, ihren Mann bei seiner Revolution unterstützt und sich am Ende ohne zu Zögern das Leben nimmt und so einen abwechslungsreichen Kontrast zu den sich ans Leben klammernden Männern darstellt. Mara Widmann als Camilles Ehefrau Lucile zeigt trotz kleiner Rolle eine gelungene Gespaltenheit zwischen kleinem Mädchen und liebender Gemahlin, die sowohl amüsant als auch bedrückend ist.
  
  Stückls Adaption des Büchner-Klassikers stellt zufrieden, wenn auch nicht vollends. Man wird den Eindruck nicht los, dass man einer Upperclass-Gesellschaft beim Schwadronieren über das Leid in der Dritten Welt zusieht. Im Gegensatz zu seiner Inszenierung von Ödön v. Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald", die in jedem Fall als außergewöhnlich gut angesehen werden kann, ist „Dantons Tod“ eine eher fade, wenn auch für Büchnerfans recht sehenswerte Angelegenheit.



Premiere am 25.10.2012
Regie: Christian Stückl
Bühne und Kostüme: Stefan Hageneier                                                                                                                

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