Constanze Wächter, Max Wagner | © Arno Declair / Volkstheater München |
Geld oder Liebe
Knapp 70 Zuschauer fasst die Kleine Bühne im Volkstheater, und nach vier langen Monaten habe ich die allerletzte Restkarte für Gatsby erwischt. Monatelang alles ausverkauft, rein kommerziell gesehen könnte das Volks-
theater mit der zweiten
Inszenierung von
Abdullah Kenan Karaca
einen Haufen Geld machen, wenn man sie nur auf die Große Bühne verlegen würde. Aber dann ginge die Intimität verloren, durch die das Stück besticht. Näher an den Schauspielern geht kaum, in der zweiten Reihe bin ich maximal anderthalb Meter von ihnen entfernt. Wieder einmal dabei: Max Wagner, so schnell wird ihn das Volkstheater nicht mehr los. Sehr mondän sieht er heute aus, in grauem Anzug, zurück-gekämmten Haaren, blauem Hemd. Den Lebemann Jay Gatsby nimmt man ihm sofort ab, sein Spiel ist einnehmend, souverän, charmant, ganz, wie F. Scott Fitzgerald es sich gewünscht hätte.
Gatsby ist das Rätsel. Sein Reichtum ist immens, seine Partys legendär, seine Verschwendungssucht unermesslich. Woher das Geld genau kommt, weiß niemand. Einst liebte er Daisy (Constanze Wächter), die ihm versprach, zu warten, als er in den Ersten Weltkrieg zog, dann aber den ebenso vermögenden, wie auch untreuen Tom (Pascal Fligg) heiratete. Gatsbys Freunde Nick (Jakob Geßner) und Jordan (Lenja Schultze) arrangieren ein Wiedersehen, woraufhin er und Daisy ihre Affäre wiederaufnehmen, mit fatalem Ende.
Von den roaring twenties, in denen Fitzgeralds Roman spielt, sieht man auf der Bühne nicht viel. Yvonne Kalles hat diese bewusst karg dekoriert; klar, Gatsbys Story wurde auch erst von Baz Luhrmann mit Leonardo DiCaprio ins Kino gebracht, extrem prunkvoll natürlich. Da hätte eine exakte Nachbildung des Luxus und der wilden Partys im kleinen Volkstheater doch eher peinlich gewirkt. Stattdessen wird auf Textreduzierung und Dialogstärke gesetzt. Apropos Dialog:
Da nehmen sich die Darsteller einige witzige Freiheiten heraus; als Nick ein Bild in Gatsbys Villa bewundert, bemerkt dieser süffisant "Das hab‘ ich von meinem Freund Cornelius Gurlitt aus Schwabing". Kommentare wie dieser werden immer wieder eingestreut, das unterstützt die locker-leichte Dynamik der Karaca’schen Bühnenfassung sehr gut, ohne alles ins Lächerliche zu ziehen. Nicht mal 90 Minuten dauert das Ganze, trotzdem gelingt es dem Regisseur und seiner Dramaturgin Katja Friedrich in dieser kurzen Zeit ein berührendes, einfühlsames Bild einer tragischen Liebe zu zeichnen, die auch nach der Vorstellung nachdenklich stimmt. Die Fokussierung auf Emotion statt auf Dekadenz geht eindeutig mehr unter die Haut als alle bisherigen Hollywood-Produktionen.
Vor allem aber ist das
Ensemble hervorzuheben, das mit „Der große Gatsby“ beweist, wie gut es sein
kann. Nichts zu spüren von den sonst auftretenden Textunsicherheiten,
stattdessen verzweifelte Leidenschaft und bitterböse Doppelzüngigkeit. Pascal
Fligg – nun, man kann dem Volkstheater
zu einem Schauspieler wie ihm nur herzlichst gratulieren – gibt einen
charmanten und gleichzeitig
widerwärtigen Tom, der nichts im Leben ernst nimmt, ganz besonders nicht seine
Frau. Constanze Wächter, die seit der aktuellen Spielzeit neu dabei ist, brilliert
hier in ihrer ersten großen Rolle. Ihre Daisy ist zerbrechlich und stark,
kaputt und heil zugleich, eine Frau, die eigentlich alles hat, außer eben
Liebe. Und für Jakob Geßner gibt es leider nur in der englischen Sprache einen
passenden Begriff: adorkable, also
ein Neologismus aus adorable und dork. Man möge sich doch bitte selbst
von seiner Schauspielkunst überzeugen, Beschreibungen wären hier nicht
ausreichend.
Am Ende bleiben nur
kaputte Luftballons und gebrochene Herzen. Und die Erkenntnis, dass man mit
Geld keine Liebe kaufen kann. Unbedingt anschauen!
Link zu der große Gatsby im Volkstheater
Premiere am 15.10.2013
Regie: Abdullah Kenan Karaca
Bühne und Kostüme: Yvonne Kalles
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