Donnerstag, 31. Juli 2014

Wir nennen ihn einfach David


Er ist Münchens begabtester Poetry-Export — David Friedrich, seit ein paar Jahren Wahlhamburger und dort übrigens auch amtierender Stadtmeister, verirrt sich ab und zu noch in die Heimat. Glück für mich, denn ich durfte den 23-jährigen Slampoeten interviewen.

Wie bist du zum Slammen gekommen?

Durch Hip Hop. Wie viele kleine Pubertierende wollte ich Rapper sein, hab dann festgestellt, dass ich höchstwahrscheinlich dann doch kein Rapper werde. Aber der große Bruder einer meiner besten Freunde hatte eine Hip-Hop-Gruppe namens Creme Fresh, die sind
auch in der Schauburg aufgetreten und nachdem ich die dort sah, wollte ich es auch mal versuchen.

Wie läuft das, wenn du Texte schreibst? Setzt du dich einfach hin und fängst an?

Manchmal. Ich versuche es zumindest. Das wird aber meistens nichts. Da fehlt die zündende Idee.  Manchmal brauche ich ein Jahr für einen Text und schreibe ihn dauernd um. Ich bin da ein bisschen perfektionistisch.

Aus welchen Themen entsteht ein guter Text?

Das sind meistens die plumpen Themen. Mein vorletzter Text ging über Leute im Fitnessstudio (“Wir nennen ihn einfach Klaus”, Anm. d. R.). Jeder kennt sowas, und das macht auch am meisten Spaß, wenn jeder was damit anfangen kann. Früher hab ich auch viel über Beziehungen geschrieben und alle Probleme darin verarbeitet, was ja auch fast alle verstehen können. Manchmal gab’s auch politische Sachen. Hauptsache irgendwas, das jedem bekannt sein könnte.

Sollte ein Text eher tiefsinnig oder eher humoristisch sein?

Bestenfalls beides! Ich finde, die besten Texte sind immer welche, die einen zum Nachdenken bringen. Oder halt jegliche Form von Humor. Wobei die witzigen Texte ja die erfolgreichsten sind. Jemanden zum Lachen zu bringen ist allerdings mindestens genauso schwer, wie jemanden zum Nachdenken zu bringen.

Es kursieren aber sehr viel mehr melancholische als lustige Texte in der Slammer-Szene.

Die meisten Leute haben ja auch Probleme, wenn sie Texte schreiben. Wenn man gar keine Probleme hat und superglücklich ist und es nichts gibt, was einen nervt, dann kann es sein, dass man kein guter Autor wird – wenn man denn einer werden will. Das Meiste wird geschrieben, wenn Leute irgendwas zu verarbeiten haben.

Was ist dein persönlicher Lieblingstext von dir selbst?

Ein ganz alter, den ich damals mit meinem besten Freund fabriziert habe. Der heißt Irgendwie abstrakt.

Und von anderen Slammern?

Kollateralschäden oder Cola zermalmt Schädel von Dalibor. Nach wie vor einer meiner absoluten Lieblingstexte.



Wie viele Tage im Monat bist du auf Slams unterwegs?

Vielleicht acht bis zwölf. Dazu kommen noch Moderation, Workshops, Rhetorikkurse. Das kann manchmal etwas viel werden. Ab und zu habe ich mal fünf Tage im Monat frei. Aber man hat sich dann natürlich auch für so ein Leben entschieden.

Bist du überhaupt noch aufgeregt vor Auftritten?

Kommt darauf an. Neulich bin ich im ausverkauften Hamburger Schauspielhaus vor 1700 Leuten aufgetreten. Ausverkauftes Haus, viel Prestige, der Gewinner bekommt einen Startplatz für die Meisterschaften, da war ich tierisch aufgeregt. Aber gestern war ich auf dem Deichbrand-Festival vor über 6000 Leuten und hab den Slam moderiert. Das war anstrengend, aber ich war nicht aufgeregt.

Was unterscheidet das Publikum in Hamburg von Münchner Zuschauern?

Der Humor ist ein bisschen unterschiedlich. Die Hamburger mögen schwärzeren Humor. Und die lachen auch eher über sich selber.

Die Leute in München nicht?

Nee, ich glaube, die Münchner sind etwas empfindlicher. Wenn du in München Witze über die Münchner Schickeria machst, dann finden die das nicht so witzig, weil das ein Vorurteil ist, das so oft einfach nicht stimmt. Aber wenn du in Hamburg sagst, ihr seid doch alle Fischköpfe, dann finden sie das lustig. Ich hab die Erfahrung gemacht, dass man in München nicht so gut mit Klischees umgeht wie anderswo.

Wie wichtig ist die Performance beim Slammen?

Kommt auf den Text an. Ich glaube aber, dass Körpersprache viel ausmacht. Niemand sollte sich auf der Bühne hinter einem Textblatt verstecken und stotternd irgendwas vorlesen. Da kann der Text noch so gut sein, das wird dann nichts. Performance sind 60% bei einem Auftritt, würde ich sagen.

Wie viel Wahrheit muss in einem Text stecken?

Eigentlich überhaupt keine. Ein Text kann auch erstunken und erlogen sein. Aber wenn du die Leute emotional kriegen willst, dann nimm einen wahren Text. Den bringt man dann auch besser rüber.

Du hast vor einem knappen Jahr ein Buch herausgebracht. Wie kam es dazu?
Zwei befreundete Slamkollegen haben mich einfach gefragt, ob ich da mitmachen will. Ich hab ja auch nicht extra was dafür geschrieben, sondern Texte von mir ausgewählt, die da reinpassten. Ist ‘ne coole Sache.

Wir kommen zur Entweder/Oder-Kategorie! Los geht’s: Lustiger oder tiefsinniger Text?

Lustiger!

Auftritt vor wenig Menschen in einer Kneipe oder vor vielen Zuschauern in der Halle?

Viele Menschen in der Halle!

Comedy oder Kabarett?

Kabarett!

Weißbier oder Astra?

Von Astra kriegt man Kopfschmerzen. Weißbier! Aber ich mag auch ein frisch gezapftes Jever gern.

Isar oder Elbe?

Beides!

Geht nicht.

Dann Isar. Weil die Elbe nicht wirklich zum Schwimmen geeignet ist.

Glas halb voll oder halb leer?

Immer halb voll. Manchmal aber halt auch randvoll.

Vielen Dank für das Interview!

David ist demnächst zu sehen u.a. in:

Hamburg//01.08.//Artville Open Air Slam
Köln//26.08.//Reim in Flammen Poetry Slam
München//25.10.//Poetry Slam im Rahmen des BMW Urban Festivals

Gekürzte Fassung. © Juliane Becker

Videos:

Wir nennen ihn einfach Klaus

Guten Morgen liebe Welt

Im Interview: Constanze Wächter und Pascal Fligg



Er ist schon seit 2009 mit dabei, sie kam diese Spielzeit frisch dazu: Constanze Wächter und Pascal Fligg bereichern das Ensemble des Münchner Volkstheaters mit Witz und Talent und geben uns heute Auskunft über ihr Leben als Schauspieler.

Wie seid ihr nach München gekommen?

Constanze: Das war Zufall. Am Ende der Schauspielschulzeit gab es ein zentrales Vorsprechen hier in München, und dann hat mich Christian Stückl zum Einzelgespräch eingeladen. Eine Stunde später rief er mich an und fragte, ob ich nicht nach München kommen wolle.
Pascal: Ich war hier beim Gruppenvorsprechen. Unsere ganze Klasse (der Folkwangschule Bochum, Anm. d. R.) hat mehrere Münchner Theater eingeladen, uns zu sehen. Nach diesem Vorsprechen hat mich dann Stückl gefragt, ob ich ihm noch weitere Rollen zeigen könnte, danach wurde ich aufgenommen.

Wie gut wird man in der Schauspielschule auf das tatsächliche Arbeiten im Theater vorbereitet?

Pascal: Natürlich greifst du auf die Techniken zurück, die du in der Schule gelernt hast, aber wie ein Theaterbetrieb läuft, das geht nur durch learning by doing. Ich war ganz nervös, weil ich wusste, dass ich ab dem 1. September hier sozusagen „gebucht“ bin, stand dann in meiner Wohnung und hab mich gewundert: soll ich nicht arbeiten? Ich war zwar in der ersten Produktion mit einer kleineren Rolle dabei, kam aber erst zwei Wochen später dran. Die ganze Zeit saß ich zuhause und hab mir gedacht, ich muss doch was machen! Ich muss doch was arbeiten!

Wie findet man sich Abend für Abend in eine komplett andere Rolle ein?

Constanze: Die Kollegen helfen mir immer sehr dabei.
Pascal:
Bei mir hilft auch ganz stark das Drumherum. Die Maske. Das Kostüm. Dann sehe ich mich damit im Spiegel und sehe die Kollegen in ihrer Aufmachung, die Bühne, die Requisiten. Das alles bringt mich fast automatisch in die Rolle, und dass man da mal durcheinanderkommt, ist eher selten.

Wie viel von euch selbst steckt in jeder Rolle?

Constanze: Natürlich ist von mir eine Menge dabei, man legt sich ja nie ab, das sollte man auch nicht. Aber der Reiz ist auch, dass man einen Charakter erstellen will, der mit einem persönlich nichts zu tun hat.

Gibt es eine Rolle, die ihr gerne mal spielen würdet?

Constanze: Bei mir wäre es Lady Macbeth. Aber ich bin gerade ziemlich zufrieden mit meinen Rollen hier.
Pascal: Ich hab schon einige Rollen gespielt, die ich schon mal spielen wollte. Aber eine „Traumrolle“ in dem Sinne gibt es nicht, ich freue mich jedes Mal wieder auf eine neue Produktion.

Wie ist die Arbeit mit Christian Stückl?

Pascal: Ganz unterschiedlich. Manchmal sitzt man vor Probenbeginn zwei Wochen am Tisch und diskutiert über das Thema, wie bei Stellvertreter, manchmal geht’s sofort auf die Bühne. Da ist Christian auch immer mit dabei, springt von Rolle zu Rolle. Männlich, weiblich, Diener, Herrscher, er probiert das auch sehr gerne aus.

Muss man sich als Schauspieler eine dicke Haut zulegen?

Pascal: Ja. Aber ich weiß jetzt nicht, ob das im Schauspiel viel mehr sein muss, als in anderen Jobs. Auch bei Bürojobs gibt’s jeden Tag Herausforderungen und ein Arbeitsklima, mit dem man klarkommen muss.

Aber gerade als Schauspieler ist man in einer Position, in der man bewertet wird, zum Beispiel von Kritikern. Wie geht ihr damit um?

Constanze: Ich suche nicht bewusst nach Kritiken. Man bekommt das schon irgendwie mit. Aber ich glaube, das darf man vor allem nie persönlich nehmen, sondern sollte eine gesunde Distanz bewahren.
Pascal: Meine Theaterlehrerin hat mir mal, nach einer guten Kritik, gesagt: „Freu dich erstmal, und dann nimmst du von der Kritik 50% weg, und dasselbe machst du bei schlechten Kritiken.“ Man sollte das schon wahrnehmen, aber sich nicht aus der Bahn werfen lassen – im guten wie im schlechten Sinne.

Wieso zieht ihr es vor, am Theater und nicht beim Film zu arbeiten?

Constanze: Ich mag beides. Film ist zwar was ganz anderes, aber ich bin sehr froh, direkt nach der Schauspielschule ein Festengagement am Theater bekommen zu haben. Außerdem lässt uns Christian Stückl da viele Freiheiten, falls wir Lust bekommen, mal was zu drehen.
Pascal: Ich fühle mich vor der Kamera nicht so wohl, da traue ich mir nicht so viel zu. Wenn ich das sehe, was ich da fabriziert habe, tu ich mir sehr schwer damit, das gut zu finden. Ich bin im Theater eher zu Hause.
Constanze: Stimmt! Ich habe mal in einer Fernsehproduktion von Frühlings Erwachen mitgespielt, und als ich mich das erste Mal im Film gesehen habe, bin ich zusammengezuckt. Das ist mittlerweile besser geworden, aber man kann sich halt viel besser selbst kritisieren, wenn man das Ergebnis seiner Arbeit auf Band hat.

Was muss man haben, wenn man Schauspieler werden will?


Pascal: Bock.
Constanze: Bock. Das ist das Allerwichtigste.

Vielen Dank für das Interview!

Constanze und Pascal sind zusammen in folgenden Produktionen zu sehen:

Geschichten aus dem Wiener Wald
Der große Gatsby
Das Wintermärchen

Gekürzte Fassung.

© Juliane Becker/Karin Dech

Mittwoch, 16. Juli 2014

Münchner Theaterpreis 2014

Foto: Volker Derlath


Der mit 10.000 Euro dotierte, alle drei Jahre vergebene Preis ging an Christian Stückl, Regisseur und Intendant am Münchner Volkstheater. In seiner Dankesrede sprach Stückl den geplanten Neubau des Schauspielhauses an: Bestenfalls im Viehhof solle das neue Gebäude entstehen und endlich Platz für alle Werkstätten, die Probebühne und den großen Saal bieten.

München gratuliert!

Montag, 14. Juli 2014

Im Interview: Kilian Engels

Foto: Gabriela Neeb.
Was hinter der Bühne geschieht, bleibt den meisten Theaterbesuchern verborgen. Wir erfahren Insider-Infos, Ensemble-Eskapaden und Gerüchteküchen-Gebrodel direkt aus erster Hand – von Menschen im Volkstheater.

Der Beruf des Dramaturgen ist ein Mysterium. Findet zumindest Kilian Engels, Chefdramaturg am Münchner Volkstheater.
 
Wie sind Sie ans Theater gekommen?


Als Schüler hab ich irgendwann angefangen, Theater zu spielen, aber nicht in der Schule, sondern im Jugendclub in Bonn. Das hat mir Spaß gemacht und dann hab ich, was eigentlich das Wichtigste ist, wenn man reinkommen will, Praktika beziehungsweise Hospitanzen gemacht. Und als ich dann mit dem Studium (Germanistik und Philosophie, Anm. d. Redaktion) fertig war, hab ich tatsächlich ohne eine Bewerbung schreiben zu müssen, hier angefangen. Ich kannte Christian Stückl aber schon von den Praktika. Für jeden, der in diese Branche will, kann ich nur sagen, dass man so früh wie möglich Kontakte knüpfen sollte.

Was genau macht ein Chefdramaturg?

Prinzipiell bin ich Abteilungsleiter einer Abteilung mit zwei Personen (lacht). Gemeinsam mit dem Intendanten schauen wir, welche Regisseure wir ans Theater holen, welche Stücke wir spielen, mit welchen Schauspielern wir arbeiten, welches Publikum kommen soll.

Ist die Arbeit eines Dramaturgen mehr Kunst oder doch mehr Handwerk?

Nichts davon! Als Künstler wäre ich ja hier völlig falsch. Und Handwerk ist es auch nicht. Ich denke, dass dieser Beruf schwer ausbildbar ist. Das hat viel mit Intuition und Erfahrung zu tun. Ist irgendwie… mystisch.

Ist das Volkstheater denn vorrangig Unterhaltungstheater?

Nein! Dafür haben wir in München ja Privattheater. Die machen eine Kriminalkomödie mit einem aus dem Fernsehen bekannten Menschen, und alle haben einen guten Abend. Es gibt zwar die Tendenz, und das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir eher aufs Geld gucken müssen als die anderen, dass wir versuchen, auf die Zuschauer zuzugehen. Gleichzeitig nimmt man dem Intendanten auch ab, dass er in genau dieser Stadt sein möchte, und genau das macht, was er machen will. Plattes Beispiel: Nacktheit bei uns auf der Bühne, da hat sich noch niemand beschwert. Das passiert woanders häufiger mal. Könnte an der Publikumsstruktur liegen, könnte aber auch sein, dass die Zuschauer nicht das Gefühl haben, dass wir auf Teufel komm raus irgendwas an ihnen vorbei inszenieren wollen. Aber Unterhaltung würde ich das trotzdem nicht nennen. Vielleicht eher eine andere Form von Erlebnis.

Welchen Inszenierungsstil vertritt das Volkstheater?

Wir möchten Geschichten erzählen und auch die Möglichkeit zur Identifikation bieten. Ganz klassisch. Postdramatik spielt keine Rolle bei uns. Jedes Theater versucht, sich ein klares Profil zu schaffen, damit man sich nicht gegenseitig auf den Füßen steht.

Wie geht man damit um, wenn ein Stück „floppt“?

Das ist vor allem für die Beteiligten schade, weil da eine Riesenmenge Arbeit drin steckt. Aber wir müssen uns gewisse Risiken erlauben, und ich hab glücklicherweise mit Christian Stückl einen Chef, der mir sehr viel abnimmt bei dieser Risikokalkulation. Der sagt dann, ich mach jetzt dies und das, damit halte ich euch den Rücken frei und dann könnt ihr auch zwei Sachen in den Sand setzen, und es läuft trotzdem stabil. Nebenbei sind wir ja auch subventioniert, und wenn wir unsere Subventionen nur dafür ausgeben, einen Publikumserfolg nach dem anderen rauszuhauen, ist das ja auch Quatsch. Ein bisschen experimenteller darf’s schon sein.

Das Volkstheater hat eine studentische Auslastung von über 25% und ist damit Spitzenreiter der Münchner Theater. Bilden denn Studenten die hauptsächliche Zielgruppe?

Eine wirkliche Zielgruppe haben wir nicht. Wir wollen alle hier haben. Und dass wir hier einen so großen Anteil an Studenten haben, was natürlich super ist, das hat einfach damit zu tun, dass die Leute, die bei uns arbeiten, auch vergleichsweise jung sind. Das bietet starke Identifikationsmöglichkeiten. Was uns, glaube ich, auch noch von anderen Theatern unterscheidet, ist, dass wir kein Abonnementsystem haben. Ergo sitzen bei uns nur Leute drin, die wirklich darauf Lust haben und die das wirklich interessiert. Das ist ein unschlagbarer Vorteil.

Sie betreuen seit zehn Jahren Radikal Jung, und es wird von Jahr zu Jahr internationaler. Ist das von Anfang an so geplant gewesen?

Anfangs haben wir gesagt, das machen wir für die Stadt- und Staatstheater im deutschsprachigen Raum. Irgendwann konnten wir aber auch die freien Gruppen nicht mehr ignorieren, haben dann auch das europäische Ausland miteinbezogen. Letztendlich spiegeln wir eine veränderte Theaterlandschaft, Performance und Internationalisierung spielen eine immer größere Rolle. Und gerade die ausländischen Produktionen werden nur geschaut, weil sie Teil des Festivals sind. Wir versuchen, jedes Jahr einen Schritt weiter zu gehen. Das ist natürlich ein großer Luxus, sowas machen zu können.

Kommen denn auch da besonders viele Studenten?

Lustigerweise ist der Altersdurchschnitt beim Festival deutlich höher als in unseren „normalen“ Produktionen. Es kommen oft auch jahrelang die gleichen Leute immer wieder, weil das für die dazugehört. Und vielleicht haben die Älteren den Vorverkauf auch eher im Blick als die Jungen und sichern sich so die begrenzten Plätze, sodass wir dann an der Abendkasse hundertfünfzig Studenten wieder heim schicken müssen.

Hatten Sie ein Lieblingsstück in dieser Spielzeit?

Meine Lieblingsstück in dieser ganzen Zeit hier am Haus, sowohl an Arbeit, als auch Resultat gemessen, ist Moses – Das Mash-Up Musical von Simon Solberg. Weil es nicht auf einem dramatischen Text beruht, es lebt massiv vom Live-Erlebnis, und es ist wahnsinnig energetisch und unterhaltsam und politisch. Aber Die Räuber haben mir auch gut gefallen. Sebastian Kreyer hat sich da einen Spaß daraus gemacht und so inszeniert, dass klar wird: das ist alles so hetero, dass es schon wieder schwul ist.

Besonders in den Räubern wurde extrem viel gekürzt. Wie textnah muss eine Inszenierung sein, wo ist Schluss?

Nirgendwo! Ist doch Quatsch. Die Vorstellung, wir würden einem literarischen Text gerecht werden, ist doch eine Illusion. Vielleicht kommt man in einer literaturwissenschaftlichen Analyse ziemlich nah an das heran, was der Autor gemeint haben könnte. Aber in einer Aufführung ist das dann doch weg. Warum machen wir denn den ganzen Klassikerquatsch noch? Weil wir die Illusion haben, dass wir aus dem beknackten Schiller, schlechter Shakespeare irgendwie, pubertär und notgeil, dass wir da noch irgendwas für unser heutiges Leben herausziehen kann. Was ich extrem fraglich finde. Aber das ist im Allgemeinen ja der Versuch. Alles andere ist philologisch. Das interessiert wirklich nur noch Lateinlehrer.


Wie geht es denn jetzt weiter für Sie? Sie verlassen ja nach dieser Spielzeit das Volkstheater.

Im Herbst gehe ich an die Otto-Falckenberg-Schule, werde da stellvertretender Schulleiter und kümmere mich um die Regieausbildung. Jetzt stelle ich mir halt die Frage: Wie muss ich junge Menschen ausbilden, sodass die danach in den Theaterbetrieb einsteigen können? Schön ist, dass man auf die individuellen Bedürfnisse der Studenten eingehen kann, das reizt mich sehr.

Wie stark hat Sie die Zeit am Volkstheater beeinflusst?

Ich war wirklich lang hier. Ich konnte hier Sachen machen, die ich wo anders nicht so umsetzen hätte können, ich habe wertvolle Erfahrungen gesammelt und konnte dieses tolle Festival veranstalten. Und das leite ich nächstes Jahr auf jeden Fall noch einmal.

Vielen Dank für das Interview!

Gekürzte Fassung.
© Valerie Kiendl/Juliane Becker